Interview | 18.05.2021 | Lesezeit 4 Min.
Verfasst von Salvatore Saporito & Prof. Dr. Siepelt

Die Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ist eine zentrale Aufgabe.

Prof. Dr. Stefan Siepelt im Interview mit Salvatore Saporito

Geldwäscheprävention und die Digitalisierung von Prozessen bei der KYC-Prüfung gewinnen zunehmend an Bedeutung. Gleichzeitig steigen die Anforderungen für die Verpflichteten durch stetige regulatorische Veränderungen. Die Verhinderung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Wirtschaftskriminalität ist eine zentrale Aufgabe von Unternehmen und klarer Bestandteil der Verantwortung der Geschäftsleitung. Nicht nur Banken, Finanzdienstleister und Versicherungen sind davon betroffen, auch die Immobilienwirtschaft, Notare, Wirtschaftsprüfer, Kunsthandel und Automobilbranche sind zur Prüfung verpflichtet.

Saporito: Die regulatorischen Rahmenbedingungen für die Geldwäscheprävention verändern sich gerade häufig und damit steigen die Anforderungen an die Verpflichteten zunehmend. Wie kann die Digitalisierung von Prozessen und insbesondere die bei KYC-Prüfprozessen den Verpflichteten unterstützen?

Prof. Dr. Siepelt: Die aus dem Geldwäschegesetz folgenden Anforderungen an die Unternehmen erhöhen sich immer weiter. Daneben kommt es häufig zu regulatorischen Veränderungen, die die Verpflichteten im Blickfeld haben müssen. Die Überprüfung und Anpassung der internen Maßnahmen zur Geldwäscheprävention sind daher ein „ongoing process“, der zum Teil erhebliche Ressourcen bindet.
Digitale Tools können jedoch gerade im Bereich der KYC-Prüfprozesse dabei helfen, den notwendigen Aufwand zu reduzieren und gleichzeitig die Qualität der Prüfprozesse steigern. Die Digitalisierung von Prozessen kann sicherstellen, dass Prüfungen immer auf der aktuellen Gesetzesgrundlage durchgeführt werden. Auch wird eine revisionssichere Dokumentation erleichtert. Zudem können insb. standardisierte Prozesse digital oftmals deutlich effizienter abgewickelt werden. Zuletzt bringt die Digitalisierung von KYC-Prüfprozessen, wenn sie gut gemacht ist, den Vorteil mit sich, dass alle relevanten Informationen schnell und leicht, d.h. mit „einem Klick“, abrufbar sind.

Saporito: Verlässliche Quellen im Rahmen der Kundeninformationsbeschaffung z.B. beim KYC-Prozess sind von höchster Bedeutung. Wie bewerten Sie die Relevanz von Primärquellen in diesem Zusammenhang?

Prof. Dr. Siepelt: Sie sagen es bereits selbst, „verlässliche Quellen im Rahmen der Kundeninformationsbeschaffung sind von höchster Bedeutung“. Nur valide und „gute“ Daten können das Fundament eines sicheren KYC-Prüfprozesses sein. Die Qualität der verwendeten Daten muss daher einen hohen Stellenwert einnehmen. Hierbei zeigt die Erfahrung, dass die Qualität von Daten umso größer ist, desto mehr Primärquellen, wie untern anderem Handelsregister der Länder verwendet werden.

Saporito: Im Zuge der aktuellen Skandale im Bereich der Geldwäscheprävention stellt sich die Frage, ob alle Verpflichtetengruppen ihre Sorgfaltspflichten kennen und wissen, wie sie diese sicher erfüllen können, um Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Wirtschaftskriminalität entgegenzuwirken. Wie beobachten Sie dieses Umfeld?

Prof. Dr. Siepelt: Die Antwort lautet leider: Viele Verpflichtetengruppen kennen ihre Sorgfaltspflichten nicht oder nicht ausreichend. Dies ist umso verheerender, weil viele Verstöße gerade aus Unwissenheit begangen werden. Als Bestandteil der unternehmerischen Compliance ist jedoch die Verhinderung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Wirtschaftskriminalität eine zentrale Aufgabe von Unternehmen und klarer Beststandteil der Verantwortung der Geschäftsleitung. Um es klar zu sagen, in diesem Bereich besteht für nicht wenige Vorstände und Geschäftsführer, gerade auch im Mittelstand, ein nicht unerhebliches Haftungsrisiko. Dieses wird aber mitunter rein tatsächlich auch dadurch verursacht, dass begrifflich „Geldwäsche“ bei einer Parallelwertung in der Laiensphäre vor allem dem Finanzkreislauf, also Banken, Versicherungen, Finanzdienstleistern, zugerechnet wird, was hinsichtlich des Verpflichtetenkreises eben ein viel zu enges Verständnis ist. Hier wird aber auch nur bedingt Aufklärung betrieben, wer alles wirklich als Verpflichteter anzusehen ist.

Saporito: Welche Maßnahmen sind aus Ihrer Sicht notwendig um diese Branchen, in denen Geldwäscheprävention noch nicht im Fokus steht, zu sensibilisieren?

Prof. Dr. Siepelt: Die Tendenz ist klar. Der Bereich der Geldwäscheprävention rückt immer stärker in den Fokus der zuständigen Aufsicht. Damit verbunden ist eine verschärfte Überwachung. Dies sollte allen Verpflichtetengruppen bewusst sein. Ich kann daher nur allen Verbänden raten, ihre Mitglieder entsprechend zu sensibilisieren. Daneben sollten das Thema aber noch intensiver in der „Compliance Community“, aber auch von den zuständigen Behörden im Wege der Prävention thematisiert werden. Die Erfahrung zeigt nämlich, dass ein ganzheitlicher Blick auf das Thema Geldwäscheprävention von elementarer Bedeutung ist. Das Thema Geldwäsche-Compliance sollte daher konsequent und umfassend bei jeder Implementierung und Evaluierung von Compliance-Management-Systemen Berücksichtigung finden. In der Praxis ist jedoch leider immer wieder festzustellen, dass die spezifische Unternehmensstruktur und die darauf aufbauenden Risiken insoweit nicht sorgfältig erfasst werden und die Ergebnisse aus der Gefährdungs- und Risikoanalyse nicht ausreichend mit dem operativen Geschäft und den notwendigen Prozessen, wie z.B. den KYC-Prüfprozessen, verzahnt werden. Diese von den Unternehmen zu leistende präventive systemische Aufgabe sollte aber auch von den zuständigen Behörden ebenfalls präventiv stärker durch Aufklärung und Bewusstseinsbildung begleitet werden.

Saporito: Welche Trends und Entwicklungen sehen Sie in den kommenden Jahren im Zuge einer effektiven Geldwäschebekämpfung?

Prof. Dr. Siepelt: Wesentlich dürfte der Trend „Optimierung durch Digitalisierung“ sein. Die Delikte der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, als globale Herausforderung, wird man nur mit Hilfe innovativer digitaler Technologien in den Griff bekommen. Künstliche Intelligenz (KI) und Machine Learning (ML) können helfen, die Identität von Kunden zu prüfen und zu verifizieren, sowie daneben kriminologische Muster zu erkennen. Im permanenten Wettlauf gegen die kriminelle Geldwäsche wird man nicht am Einsatz von digitalen Instrumenten vorbeikommen.

Daneben sollte unbedingt Hinweisgebersystemen, d.h. u.a. der klassischen Whistleblowing-Hotline, mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Nicht nur, dass ein solches System alsbald für viele Unternehmen aufgrund der Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie verpflichtend wird, sondern auch, weil die Praxis zeigt, dass dies immer noch eines der effektivsten Instrumente zur Aufdeckung von Compliance-Verstößen ist.

Zuletzt bin ich jedoch davon überzeugt, dass der wesentliche Schlüssel trotz aller Digitalisierung die Beschäftigten des Unternehmens sind. Ohne entsprechende Unternehmenswerte, die in einem Verhaltenskodex festgehalten werden und zu denen es umfassende Schulungen gibt, um überhaupt auch ein entsprechendes Bewusstsein für die Problematik ausprägen zu können, wird keine effektive Geldwäschebekämpfung möglich sein. Dieses Wertemanagement wird jedoch nur funktionieren, wenn man den Bereich Geldwäschebekämpfung nicht als „Stand-alone-Lösung“ aufbaut. Vielmehr ist eine Verzahnung mit den Compliance-Management-Systemen geboten.

Zur Person:

Prof. Dr. Stefan Siepelt ist Gründungspartner von LLR Rechtsanwälten. Er berät seit über fünfundzwanzig Jahren im Bereich des Gesellschaftsrechts sowie des Kapitalmarktrechts Unternehmer und Unternehmen im Mittelstand bis in den Bereich des DAX. Seit 2007 ist er an der Rheinischen Fachhochschule Köln tätig, zunächst als Lehrbeauftragter und seit 2013 als Honorarprofessor sowie Direktor des Instituts für Compliance und Corporate Governance, ICC. Seit 2011 ist er auch geschäftsführender Vorstand des Arbeitskreises deutscher Aufsichtsrat, AdAR e.V., dem er auch als Gründungsmit-glied angehört. Schließlich ist er im Deutschen Institut für Compliance, DICO, fast von dessen Gründung an engagiert und leitet dort den Arbeitskreis „Aufsichtsrat und Compliance“.